Der Umgang mit Personalberatern zeigt die Professionalität Ihres Recruitings
Personalberatung – ein Thema, das polarisiert. Die Entwicklung der Personalberatungsbranche vom “geheimnisumwobenen Spiel der Graurücken” zur “Spielwiese ungelernter Glücksritter” spiegelt zwei Dinge in unserem Wirtschaftssystem wider: Den Stellenwert, den Unternehmen ihrem „Human Capital“ wirklich zumessen. Und die (fehlende?) Kreativität und Seriosität, mit dem Arbeitgeber ihre Recruitingprobleme angehen. Oder mit einem Satz gesagt: Zeigen Sie mir Ihren Umgang mit Personalberatern und ich zeige Ihnen, wie professionell Ihr Personalmanagement wirklich ist.
Jetzt muss ich als jemand, der sein Berufsleben (fast) nichts anderes als „Personalberatung“ gemacht hat, aufpassen, dass ich nicht ins Philosophieren und „Geschichten erzählen“ komme. Die Gefahr ist da und meine Erfahrungen sind ja auch nur subjektiv. Also diszipliniere ich mich und nutze eine kleine, nicht repräsentative, aber doch aussagekräftige Umfrage, in der Personalverantwortliche ihre Personalberater (PBs) bewerten. Herzlichen Dank an dieser Stelle unbekannterweise an die MC Personalconsulting + Marketing, die diese kleine (112 befragte Personen) Umfrage selber durchgeführt hat. Die Umfrage gibt es hier zum Download http://www.mcpersonal.de/ ).
Von der Personalberatung zur Personalvermittlung und zurück – mehr Schein als Sein!
Die Umfrage zeigt, zumindest für mich deutlich und noch dazu sehr amüsant, in was für einer Scheinwelt sich der Personalberatermarkt bewegt. Das fängt schon bei der Berufsbezeichnung an. MC grenzt von sich aus in der Umfrage den Begriff „Personalberatung“ auf Executive Search und Direktansprache von Führungskräften ein. Knapp 30% der befragten 112 Entscheider arbeiten aber rein auf Erfolgsbasis (Contingency), knapp 40% in einer Mischform von Ratenzahlung und Contingency mit PBs zusammen. Ich kenne einige PBs, die sich bei dem Wort Contingency jetzt angewidert oder milde lächelnd wegdrehen. Warum? Nun, „echte“ PBs arbeiten nicht auf Erfolgsbasis. Das machen „Personalvermittler“. Die nennen sich aber auch gerne Personalberater, Executive Search Berater oder Head Hunter, das klingt einfach besser als CV-Trader, Personalvermittler oder Zeitarbeitsunternehmen. Ob Personalberater den Begriff „Berater“ aber tatsächlich verdienen, steht noch auf einem ganz anderen Blatt.
Schein Nr. 1: Titel sind Schall und Rauch. 80% der Dienstleister machen alle das gleiche. Aber mit Sicherheit keine Personalberatung. Darum verwende ich hier den Begriff Personalberater und meine damit (fast) alle, die in irgendeiner Form Personal in Festanstellung “vermitteln”.
Viel relevanter ist aber die Feststellung anhand der Umfrage, dass Unternehmen wirklich Executive Search Aufträge auf Contingency-Basis vergeben? Ernsthaft? Also Positionen, die sie selber nicht besetzen können (aus welchen Gründen auch immer) und/oder deren erfolgreiche Besetzungen aufgrund ihrer Relevanz unternehmenskritisch sind? Ja, tun sie, das ist noch nicht mal ein offenes Geheimnis.
Nun, da lugt doch bei mir der kleine Zweifel hervor, ob die Bedeutung der gesuchten Führungskraft bei dem Kundenunternehmen wirklich hoch sein kann. Denn offensichtlich ist mir die Suche nach der richtigen Führungskraft kein Geld wert. Es gibt aber noch eine andere Erklärung: Ich traue mir als HR’ler nicht zu, den richtigen PB auszuwählen oder ich weiß, dass meine Hiring Manager nicht in der Lage sind, die vorgestellten Kandidaten richtig zu „verwerten“ (wenn ich diesen Ausdruck mal benutzen darf). In der Vergangenheit haben viele Unternehmen nämlich sehr viel Geld für erfolglose PB Leistungen (aus welchen Gründen auch immer) bezahlt. Darauf bin ich in einem längeren Artikel zum Thema Active Sourcing eingegangen. Das würde jetzt hier den Rahmen sprengen. Tatsache ist: Nun hat HR Angst, Geld für eine schlechte Leistung „rauszuschmeißen“. Also zahle ich nur bei Erfolg.
Schein Nr. 2: Die Unternehmen entschuldigen ihre eigene Unfähigkeit, den richtigen PB auszuwählen oder die dann vorgestellten Kandidaten richtig zu „verwerten“ mit schlechten PB-Erfahrungen aus der Vergangenheit. Von Professionalität Seitens HR kann hier überhaupt keine Rede sein. Denn die „Contingency-Lösung ist definitiv die falsche Antwort und führt in die komplett falsche Richtung. Stattdessen müssen die PB richtig “geführt” werden.
Die Professionalität der Personalberater – fragwürdige Kriterien
Noch schöner finde ich aber, dass die Unternehmen vor allem mit dem Briefing-Gespräch und der Professionalität der Berater sehr zufrieden sind. Zwar teils mit abnehmender Tendenz, aber immer noch „sehr zufrieden“. Große Unzufriedenheit herrscht dagegen bzgl. der Eignung der vorgestellten Kandidaten, der Dauer der Suche sowie dem Service der Vermittlung. Komisch! Ich dachte bisher immer, die Professionalität des PBs macht sich an der Eignung der Kandidaten und der Dauer der Suche fest. Denn das ist doch das Kerngeschäft. Hm, habe ich mich wohl geirrt. Das eine scheint mit dem anderen nichts zu tun zu haben. Was für eine verrückte Welt. Jetzt weiß ich auch, warum ich so schwer neue Aufträge bekommen habe. Ich habe mir die Vorgaben des Kunden angehört und dann oft gesagt: „Hm, das wird schwierig. So ein Profil ist momentan sehr gefragt. Und mit welcher Story wollen sie jemanden bewegen, zu ihnen zu kommen?“. Meistens wurde ich komisch angeguckt und ich merkte, wie die Begeisterung meines Gegenübers zu mir drastisch sank. Dagegen sind die Kollegen, die gesagt haben: „Kein Problem, in drei Wochen habe ich die Stelle besetzt“, häufiger mit neuen Aufträgen nach Hause gekommen. Was natürlich in der Praxis kaum klappte. Um es also mal ganz platt zu sagen: Vielleicht möchten Kunden belogen werden? Um ein gutes Gefühl zu haben?
Schein Nr. 3: „Professionalität“ steht offenbar in keinem Zusammenhang mit der Leistung, sondern nur mit dem Auftreten und dem verständnisvollen Nicken und Ja-Sagen im Briefing-Gespräch.
Recruiting ist kein Menschenhandel
Ein letzter Punkt. In der Umfrage klagen viele Kunden über starre Geschäftsmodelle und fehlende Flexibilität der PBs. Der Grund ist eigentlich offensichtlich, liebe HR’ler: Recruiting ist ein hartes Brot (geworden). Da PBs Menschen mit freiem Willen vermitteln und auf Unternehmensseite auch der HR’ler oder der Hiring Manager seine eigenen Vorstellungen und „Macken“ hat, ist eine erfolgreiche Personalvermittlung zu einem großen Teil auch einfach Glück. Ein PB kann alles richtig machen und am Ende doch ohne eine Stellenbesetzung da stehen. Dazu kommt, dass die Kunden immer anspruchsvoller werden (laut Umfrage! Warum eigentlich?), die Kandidaten immer verwöhnter und gleichzeitig die Konkurrenz durch immer mehr Personalvermittler am Markt wächst. Jeder PB, der einmal bei den Honoraren einknickt, kommt davon nicht mehr weg. Also, solange es geht beim alten Modell bleiben! Viel Honorar „garantiert“, ein kleiner Anteil auf Erfolg. Der Kunde sieht das natürlich genau umgekehrt. Keiner möchte verlieren und damit kommen wir zu
Schein Nr. 4: Dafür, dass HR angeblich unsere wichtigste Ressource ist, gibt es zu viele Verlierer in dem System. Der Stärkere nutzt den Schwächeren aus. Wer welche Rolle übernimmt, wechselt je nach Fall. Wie erfolgreich kann aber ein System sein, wo sich beide Seiten nicht auf Augenhöhe begegnen? Zukünftig wird das immer schwieriger.
Vertrauen ist/wird zerstört. Darunter leidet das Ergebnis. Darunter leiden alle, auch die Kandidaten. Wer fängt an, das System zu ändern? Wer macht den ersten Schritt? Und wie könnte der aussehen? Eine Lösung wird sein, das Honorarmodell zu verändern. Aber das wird definitiv etwas für einen anderen Artikel. Vorschläge nehme ich aber jetzt schon gerne entgegen. Überlegungen dazu gibt es ja auch schon. Ich befürchte allerdings, keine der beiden Seiten wird den Anfang machen, solange sich beide noch in der (gefühlt) stärkeren Position befinden.
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