Ich starte meine ausser-schweizerischen Aktivitäten als Bloggerin mit einem hier in der Schweiz gerade umstrittenen Thema: Dürfen wir unsere CVs und Motivationsschreiben von externen Profis aufpimpen lassen oder ist das eine ganz persönliche Angelegenheit, die keine fremden Federn erlaubt?
Anlass zur aktuellen Diskussion war folgender Artikel in der Gratiszeitung 20min.
Ein Schweizer Headhunter ist der Meinung, dass man sich keinen Gefallen tut, wenn man Dienstleistungen in Anspruch nimmt, die für einen die Bewerbungsunterlagen schreiben und formatieren. Er kritisiert hier konkret die Firma einfachBEWERBEN, geführt von Stefan Gribi. Wie es der Zufall so will, ist Stefan ein ehemaliger Arbeitskollege von mir und ich freue mich, dass ich als Einstieg zu meinem Beitrag erst einmal ihn fragen kann, was er zu diesen Vorwürfen sagt.
Stefan, hast du dich geärgert, als du den Beitrag im 20 Minuten gelesen hast? Wenn ich deinen Facebook-Post dazu anschaue, dann klang das eher zufrieden. Was ging in dir vor?
Im ersten Moment war ich überrascht, weil der Artikel kontrovers aufgebaut war. Danach habe ich mich über die vielen positiven Kommentare gefreut. Die 20-Minuten-Umfrage ergab, dass die Mehrheit der Leser die Dienstleistung von einfachBEWERBEN eine sinnvolle Sache finden. Auch meine Kunden haben sich bei mir gemeldet und gesagt, sie seien sehr froh, dass es meinen Service gibt. Das hat mich natürlich sehr gefreut. Und last but not least: der Werbeeffekt war fantastisch, ich wurde überhäuft mit neuen Aufträgen.
Wenn du zurückblickst: Du bist jetzt seit 2 Jahren mit dieser Idee unterwegs. Was waren deine Beweggründe und warum warst du überzeugt, dass die Idee fruchten wird?
Ich habe als Recruiting Manager unter anderem bei Swisscom festgestellt, dass sich viele Kandidaten mit ihrer Bewerbung unter Wert verkaufen; da gibt es mal eine Lücke im CV, Schreibfehler im Motivationsschreiben oder das Bewerbungsfoto ist mit dem Handy im Ausgang gemacht. Bei 100 Kandidaten pro Stelle kommen solche Bewerber nicht zum Interview, obwohl sie allenfalls für die Stelle geeignet wären. In einem Urlaub auf Hawaii hat sich diese Geschäftsidee herauskristallisiert. Bei einer anschliessenden Befragung in meinem Umfeld, ob der Service von einfachBEWERBEN gewünscht würde, waren die Rückmeldungen extrem positiv, eben weil es eine solche Dienstleistung noch nicht gab. Da sagte ich mir: „No guts, no glory!“
Es gibt ja noch andere Anbieter auf diesem Gebiet und jeder Personalvermittler berät seine Kandidaten in diese Richtung. Sind dies deine grössten Mitstreiter auf dem Markt oder gegen welche Mühlen kämpfst du?
Ich kämpfe gegen keine Mühlen. Ich helfe meinen Kunden, sich optimal mit der Bewerbung zu positionieren und erfolgreich zu sein. HR-Berater und Personalvermittler haben ein völlig anderes Businessmodell. Als Personalvermittler ist man einerseits den Kandidaten, andererseits auch seinen Kunden verpflichtet. Da muss man eine Balance behalten, damit man auf beide Seiten glaubwürdig bleibt. Das hatte ich in meiner Rolle als Personalvermittler auch immer so gehandhabt. Als Inhaber von einfachBEWERBEN bin ich ausschliesslich den Kandidaten, also meinen Kunden, verpflichtet. Ich mache keine Vermittlung.
einfachBEWERBEN bietet einen neuen Service und ist deshalb eine Ergänzung des bestehenden Angebots. Ich bin als Bewerbungsexperte der Anwalt der Kandidaten und versuche ihre Interessen so gut wie möglich wahrzunehmen und sie im besten Licht erscheinen zu lassen.
Danke Stefan, das klingt sehr interessant.
Wie war das damals bei mir… als Personalberaterin und als Recruiterin?
Wenn ich in meinem Erfahrungsschatz „wühle“, komme ich zu folgender Erkenntnis: Als Personalberaterin hatten wir uns zum Ziel gesetzt, und dies unseren Kunden auch so verkauft, dass jede/r KandidatIn einen selbst geschriebenen Werdegang dem Dossier beifügt. Somit erkennt man ein Stück weit auch die Persönlichkeit oder zumindest mal den Geschmack des Bewerbenden. Ich habe viele BuchhalterInnen vermittelt, somit waren CVs in Excel-Format gang und gebe. Nicht jedermanns Sache, aber authentisch. Doch fand so oder so genauso gut im Voraus Beratung statt, bei einigen mehr, bei anderen weniger, und bei eher „schwierigen“ Fällen habe ich auch schon mal selber in die Tasten gegriffen. Den Stil habe ich bestehen lassen, der Bewerber soll sich ja weiterhin drin wiederfinden. Dankbar waren sie alle.
Und wenn ich auf meine Erfahrung als Recruiterin von Top-Management-Positionen zurückblicke und auf meine Zusammenarbeit mit Headhuntern, dann fiel mir schnell auf, dass ich selten einen selbstgeschriebenen Lebenslauf zu sehen bekam. Sie waren in die Form und Look&Feel des Headhunter-CD/CI gegossen. Das nannte sich dann “Candidate-Report” und nicht “Lebenslauf”, wohlgemerkt. Sicherlich machen das nicht alle so, nur habe ich diese Erfahrung nicht nur einmal gemacht. Fairerweise muss ich sagen, dass ich keinen Vorteil, aber auch keinen Nachteil darin gesehen habe.
Was sagen denn die anderen?
Ich selbst habe den o.g. Artikel bei Facebook gepostet und gespannt gewartet, welche Reaktionen aus meinem Umfeld kommen. Unisono ist die Meinung von meinen Profi-HR-Freunden, dass Fälschen nicht gut ankommt, aber Beratung Sinn macht. Dem schliesse ich mich eindeutig an. Dass es gefälschte CVs gibt, ist leider Realität. Ich selbst stand schon als Personalberaterin als Zeugin vor Gericht, weil ein Kandidat uns aufgrund falscher Angaben betrogen hatte. Über meinen Facebook-Post kam zudem eine lustige Story zum Vorschein: Eine Bewerberin hatte in ihrem Lebenslauf unterschlagen, dass sie früher schon bei der Firma gearbeitet hatte und hochkant während der Probezeit herausgeflogen ist. Sie hatte den „Mut“, sich nochmal zu bewerben und diese Station nicht in den Lebenslauf einzufügen. Das ganze flog dann während des Interviews auf. Autsch. Das ist eindeutig Beschiss. Aber ich lehne mich aus dem Fenster und behaupte, dass ein professioneller Berater niemals dazu raten würde, diese Information zu unterschlagen. Denn dann steht auch sein eigener Ruf schnell auf dem Spiel. Dieser Dame hätte eine gute Beratung eher helfen können.
Stefan, jetzt komme ich doch nochmal auf dich zurück: Was ist deine Meinung zu einem solchen Fall: Wenn mich Kandidaten fragen, ob sie einen negativen Punkt in der Bewerbung erwähnen sollen, rate ich immer dazu, bei der Wahrheit zu bleiben. Erstens kommt die Wahrheit meistens raus und zweitens schläft man besser. Ich bin überzeugt, dass es bei jedem negativen Ereignis auch etwas Positives gibt. Und sei es auch nur, dass man etwas daraus gelernt hat und heute anders machen würde. Wenn man mit Negativem offen und ehrlich umgeht, so meine Erfahrung, kommt man als Kandidat besser rüber.
Jedem das seine, nur bitte keinen Fälschungen verschicken
Mein Fazit geht in Richtung Kompromiss… Lassen wir doch erst einmal jedem sein Geschäftsmodell, ohne dass wir Lug und Trug Platz einräumen. Die Nachfrage bestimmt bekanntlich das Angebot und wenn Menschen heute weniger Zeit und Musse haben, sich selber um jedes Anschreiben und um jeden auf die Stelle getuneten CV zu schreiben, so können das doch mit ruhigem Gewissen Profis übernehmen. Hand aufs Herz: wer hat nicht schon mal seinem Schwager, seiner Freundin, seinem Nachbarn geholfen, wenn sie/er nicht so fit war auf dem Thema? Zudem entstehen schnell auch Mode-Erscheinungen, die die Art und Weise, wie man CVs schreibt, immer etwas verändern. Ich will nicht wissen, wie mein Vater heute seinen Lebenslauf schreiben würde, wenn er müsste… . Natürlich kann sich jeder selber helfen. Mit Selbst-Recherche im Internet und dank vieler Fachbücher kommt man sicherlich sehr weit. Das Angebot ist reichlich vorhanden. Nur spielt auch hier der Zeitfaktor eine wichtige Rolle. Ich zahle dafür, dass der Berater up to date ist und spare mir somit die Suche im sehr grossen Netz. Ähnlich wie Reisebüro versus Selbstbuchen. Und der persönliche Touch von dem so viele reden, kann ja erhalten bleiben. Gute Berater sind empathisch und erkennen schnell, was die Person wünscht und wo die Stärken liegen, die es „anzupreisen“ gibt. Und ob der Lebenslauf gestalterisch mit oder ohne Rahmen, farblich oder schwarz/weiss, mit oder ohne Foto verschickt werden soll, liegt ebenfalls in der Hand der Auftraggeber. Der Berater führt am Ende ja doch „nur“ aus. Und wer sich die Mühe macht, selber alles nach bestem Wissen und Gewissen zu gestalten und zu erfassen, dann kann er noch stolzer sein, wenn sie/er in ein Interview eingeladen wurde. Meiner Meinung nach sollte eine Regel für alle gelten: Jedem Recruiter sollte bewusst sein, dass in jeder Bewerbung viel Arbeit steckt, egal ob vom Profi, vom Bewerber oder von beiden zusammen geschrieben.
The post Ist ein vom Profi geschriebener Lebenslauf ein Plagiat? appeared first on personalblogger.